Seit 100 Jahren in der Schwebe
                          Die Wuppertaler Schwebebahn feiert Geburtstag
                          
                           
                          
                           
                          Ministerpräsident Wolfgang Clement hat
                          am Donnerstag (1.3.2001) das Jubiläumsprogramm zum
                          100. Geburtstag der Wuppertaler
                          Schwebebahn mit einem Festakt eröffnet. Die
                          "alte Dame" des Nahverkehrs ging am 1. März
                          1901 offiziell in Betrieb. Seitdem ist sie das
                          Wahrzeichen von Wuppertal und eines der kuriosesten
                          Verkehrsmittel der Welt. Wie ein grüner Tausendfüßler
                          schlängelt sich das Stahlgerüst auf 13 Kilometern
                          quer durch die Stadt an der Wupper. Bis November
                          feiern die Wuppertaler den Geburtstag mit kostenlosen
                          Oldtimer-Fahrten, Ausstellungen und einer Sondermarke
                          der Deutschen Post. 
                           
                           
                          
                          Die Idee eines
                          Zuckerfabrikanten Der
                          Kaiser übt sich im Schweben Der
                          Mythos Schwebebahn
                          
                          
                           Das Schweben beginnt um 5 Uhr 36
                          
                           
                          
                           
                          Mit einem letzten Rest Schlaf in den Augen geht der
                          Fahrer der Wuppertaler Stadtwerke durch die Wagenhalle
                          vorbei an den aufgereihten Wagen. Seiner steht ganz
                          vorne. Beim ersten Schritt nach drinnen gibt der Boden
                          unter seinen Füßen ein wenig nach. Fast unmerklich
                          schwingt der Waggon hin und her. Es ist der Fahrer des
                          Frühzugs der Wuppertaler Schwebebahn. Um kurz nach fünf
                          beginnt er seinen Dienst. Nach einer kurzen Kontrolle,
                          schiebt der Fahrer den Fahrregler, einen kleinen
                          Steuerknüppel, leicht nach vorne. Der Zug setzt sich
                          surrend in Bewegung und rumpelt auf die Weichenstraße
                          zu. Mehrmals kreischt das Metall der Räder kurz auf,
                          ein Geräusch, dass nun seit 100 Jahren durch das Tal
                          der Wupper schallt.
                           Die Wuppertaler hängen dran
                          Im Bahnhof Vohwinkel wartet bereits eine
                          Hand voll Fahrgäste. Verschlafen und gelangweilt
                          steigen sie in den schwankenden Waggon. Die
                          Schwingungen des Bodens scheinen sie gar nicht zu
                          bemerken. Für die Wuppertaler ist es das normalste
                          der Welt - die Fahrt mit der Schwebebahn. Der Fahrer
                          sieht auf den Monitor, mit dem er den Bahnsteig überblickt.
                          Alle sind drinnen, ein letzter Blick auf die Uhr am
                          Kopfende des Bahnsteigs. 5 Uhr 36. Es ist Zeit zu
                          fahren. Die Bahn rumpelt los, knapp zehn Meter über
                          der Kaiserstraße fährt sie mit Tempo 50 über Autos,
                          Bussen und Lastwagen hinweg. Technisch gesehen ist die
                          Schwebebahn nichts anderes als eine Hängebahn. Die
                          Laufräder sind auf dem Dach montiert. "Doch
                          welcher Fahrgast", meint der Pressesprecher der
                          Wuppertaler Stadtwerke, "hängt schon
                          gerne." 
                          
                          Die Idee eines Zuckerfabrikanten
                          
                           
                          
                           
                          Dass die Wuppertaler seit 100 Jahren schweben können
                          verdanken sie dem Kölner Industriellen und Erfinder
                          Eugen Langen. Der Zuckerfabrikant hatte Ende des 19.
                          Jahrhunderts die Idee für eine eingleisige Hängebahn.
                          Er benutzte sie zunächst für Transporte auf seinem
                          Firmengelände. 1892 entwickelte er daraus ein System
                          mit freischwebend aufgehängten Personenwagen.
                          "Ich hab‘ das Ding Schwebebahn genannt,"
                          schrieb Langen in einem Brief an Wilhelm von Siemens,
                          der sich für Langens Erfindung interessierte. 
                           
                           
                          Wagemutige Entscheidung
                          Zur gleichen Zeit machten sich die
                          Ratsherren in Elberfeld und Barmen (heute Wuppertal)
                          Gedanken, wie sie einem drohenden Verkehrschaos in
                          ihren Städten entgehen konnten. Die beiden Städte an
                          der Wupper waren in Folge der Industrialisierung
                          innerhalb weniger Jahre zur sechsgrößten Metropole
                          im Deutschen Reich herangewachsen. Da der Boden felsig
                          und grundwasserführend war, schied der Bau einer
                          Untergrundbahn aus. Deshalb entschlossen sich die
                          Ratsleute 1887 für den Bau einer Hochbahn über der
                          Wupper, die letzte unbebaute Fläche im engen Tal.
                          Eine gewagte Entscheidung, denn die elektrischen Straßenbahn
                          war gerade sechs Jahre zuvor in Berlin erfunden worden
                          und weltweit gab es noch keine Hochbahn. So geriet die
                          Idee in Wuppertal erst mal in Vergessenheit. Nur Eugen
                          Langen arbeitete weiter beharrlich an seinem Plan.
                          Einer Reihe von Städten stellte er seine
                          "Schwebebahn" vor. So unter anderem in
                          Hamburg und Berlin. Doch der Kaiser machte dort den Plänen
                          ein schnelles Ende. "Drunter und nicht drüber",
                          quittierte der Monarch den Entwurf in Berlin. Und auch
                          die Zeitungen machten sich über die Idee Langens
                          lustig: 
                          
                            
                              
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                                  "Hangen, Langen, Bangen: 
                                  Die Schwebebahn liegt in der Luft, 
                                  wenn das Projekt nicht nur verpufft 
                                  und nicht zerrinnt der holde Wahn, 
                                  die hocherhabene Schwebebahn." 
                                   
                                 | 
                               
                            
                           
                           
                          Auch die anderen Städte entschieden
                          sich gegen Langens Schwebebahn. Schließlich blieb nur
                          Elberfeld-Barmen übrig. Bürgermeister und
                          Stadtverordnete hatten zuvor die Versuchsstrecke in Köln
                          besucht. Am 31. Oktober 1895 erhielt die von Erfinder
                          Langen gegründete Continentale Gesellschaft für
                          elektrische Unternehmungen die Konzession zum Bau und
                          Betrieb einer Hängebahn System Eugen Langen. Ihr
                          Erfinder selbst sah seine Bahn aber nie selbst fahren.
                          Langen starb 1895, zwei Jahre vor dem Baubeginn im
                          Wuppertal. 
                          Von Oberbarmen zur Weltausstellung
                          Da die Konstrukteure der Schwebebahn auf
                          keine Erfahrungen beim Bau zurückgreifen konnten
                          wurde in Elberfeld zunächst eine 800 Meter lange
                          Versuchsstrecke gebaut. Um die großen Mengen Eisen für
                          das 13 Kilometer lange Gerüst produzieren zu können
                          schlossen sich vier Hüttenbetriebe zusammen. Der
                          Versuchswagen brachte es auf der kurzen Strecke
                          bereits auf 50 km/h. Ein Tempo, das vor allem unter
                          den religiösen Sekten im Tal der Wupper Ängste und
                          Bedenken gegen das "Teufelswerk" auslösten.
                          Andere hatten hingegen die materiellen Folgen im
                          Blick, etwa die Bürger die sich sich vor dem
                          Landgericht Elberfeld gegen den Bau der
                          "fliegenden Bahn" wehrten. Zuvor hatte
                          bereits der Betreiber der Pferdebahn erfolglos
                          versucht, die Schwebebahn vor Gericht zu verhindern. 
                          
                          Der Kaiser übt sich im Schweben
                          Nach knapp drei Jahren Bauzeit war der
                          erste Streckenabschnitt der neuen Schwebebahn Ende
                          1900 fertiggestellt. Noch vor dem offiziellen Betrieb
                          ließ es sich Kaiser Wilhem II. nicht nehmen, mit der
                          Bahn zu fahren, die er selbst in Berlin in den
                          Untergrund verbannt hatte. Am 24. Oktober 1900 gab
                          sich seine Majestät in Elberfeld die Ehre. Huldvoll
                          winkte er seinen Untertanen während der Probefahrt
                          von oben herab zu. Wagen Nummer 5 ist bis heute in
                          Wuppertal unterwegs, als Kaiserwagen. Mit gebührendem
                          Abstand konnten das Volk am 1. März 1901 zum ersten
                          Mal durchs Wuppertal schweben - mit Erfolg. Schnell
                          wurde die Hängebahn zum alltäglichen Verkehrsmittel.
                          Einem weiteren Ausbau stand nichts mehr im Weg. 
                          Ein horizontaler Paternoster
                           
                          
                           
                          
                           
                           Bis 1903 wurde der Rundkurs auf 13
                          Kilometer erweitert. An den Endstationen in
                          Ritterhausen (heute Oberbarmen) und Vohwinkel
                          entstanden Wendeschleifen, so dass die Schwebebahn
                          einem gigantischen horizontalen Paternoster gleicht. Während
                          der Weltausstellung in Paris verkehrte die Wuppertaler
                          Schwebebahn sogar in Paris. Allerdings nur auf einer
                          60 Meter langen Ausstellungsstrecke, die später in
                          Wuppertal eingebaut wurde. Bis heute hat sich am Gerüst
                          der Schwebebahn wenig verändert, obwohl vor allem
                          nach dem zweiten Weltkrieg sich das Stadtbild
                          Wuppertals stark verändert hat. Doch Pläne einer
                          Begradiung des eisernen Lindwurms verschwanden wieder
                          in der Schublade. Trotzdem wurde in den vergangenen
                          hundert Jahren einiges am Gerüst verändert. Vor
                          allem bei Straßenbau standen einige der alten Stützen
                          im Weg. Sie wurden durch teils recht imposante Brücken
                          ersetzt. Der Betrieb der Schwebebahn wurde dadurch
                          aber nur selten unterbrochen, denn die Bahn ist bis
                          heute ein unentbehrlichliches Verkehrmittel für
                          Wuppertal. 
                          Alte Dame mit rostigen Nieten
                          Seit der ersten Fahrt vor 100 Jahren
                          sind rund 1,5 Milliarden Fahrgäste mit der
                          Schwebebahn unterwegs gewesen. Das hat Spuren
                          hinterlassen. Bis auf den sogenannten Kaiserwagen
                          wurden Anfang der 70er Jahre alle alten Züge durch
                          moderne Wagen ersetzt und auch rund die Hälfte der
                          alten Stützen sind inzwischen ausgetauscht worden.
                          Sehr zum Ärger vieler Wuppertaler, die sich wünschen,
                          dass ihre "alte Dame" so erhalten bleibt,
                          wie sie 1901 in Betrieb ging. Doch trotz
                          Denkmalschutzes wird seit 1997 das alte Gerüst Stück
                          für Stück erneuert. 
                          
                          Der Mythos Schwebebahn
                          
                           
                          
                           
                          So wie die Titanic als unsinkbar galt, hieß es auch
                          knapp hundert Jahre von der Schwebebahn, sie sei das
                          sicherste Verkehrsmittel der Welt. Zwar war bereits
                          1917 eine Bahn in die Wupper gestürzt und auch in den
                          Jahrzehnten danach gab es immer wieder kleinere
                          Kollisionen. Zu den wohl kuriosesten Unfällen gehört
                          aber der Sturz des Elefantenbabys Tuffi aus der
                          Schwebebahn. 1950 hatte der Direktor des in Wuppertal
                          gastierenden Zirkus Krone die Idee, eine Werbefahrt
                          mit dem kleinen Dickhäuter zu unternehmen. Aber Tuffi
                          bekam das Schweben nicht. Sie durchbrach die Türe und
                          sprang in die Wupper. Mit ein paar Schürfwunden überstand
                          sie den Sprung, von dem es zwar kein Foto gibt, wohl
                          aber eine weltbekannte Bildmontage. 
                           
                           Die
                          Geschichte der Schwebebahn
                          Absturz um 5 Uhr 45
                          
                           
                          
                           
                          Glimpflich ging es 1968 ab, als ein Lastwagen gegen
                          ein Pfeiler der Bahn schleuderte und einen Teil des
                          Fahrwegs zum Einsturz brachte. Doch bis zum 12. April
                          1999 kam kein Fahrgast der Schwebebahn ums Leben. In
                          Folge des Umbaus hatten Bauarbeiter in eine
                          Montagekralle auf der Schiene vergessen, die den Frühzug
                          aus dem Gleis hob. Beim Absturz von Wagen 4 starben fünf
                          Menschen, 46 wurden zum Teil schwer verletzt. Das
                          Landgericht Wuppertal urteilte später, auch der
                          enorme Termindruck, unter dem die Bauarbeiten am Gerüst
                          durchgeführt wurden, seit Ursache für das Unglück
                          gewesen. Eigentlich sollte der Sanierung der
                          Schwebebahn bis zum 100. Geburtstag abgeschlossen
                          sein. Inzwischen ist etwa die Häfte der Strecke
                          erneuert. Damit soll die Schwebebahn fit für das 21.
                          Jahrhundert gemacht werden. Ziel ist es unter anderem,
                          dass alle 90 Sekunden eine Bahn zwischen den
                          Endhaltestellen verkehrt und dass die
                          Durchschnittsgeschwindigkeit von 27 km/h verbessert
                          wird. Zudem denken die Wuppertaler Stadtwerke auch über
                          eine neue Generation von Wagen nach. Ob es dann auch
                          noch Fahrer einen Fahrer des Frühzeuges geben wird,
                          darüber wird bei den Stadtwerken noch diskutiert.
                          Andere moderne Hängebahnen, wie die H-Bahn in
                          Dortmund fahren seit Jahren automatisiert. 
                           
                           
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